Mode, mehr Mut und die Bierlaune auf dem Oktoberfest

Mehr Mut zur Mode - dann kommt vielleicht auch wieder die Lust zum Shoppen. Foto: Marc Cain
Mehr Mut zur Mode – dann kommt vielleicht auch wieder die Lust zum Shoppen. Foto: Marc Cain

Reduzierungen von 50 Prozent und noch mehr – und trotzdem keine Käufer. Dieser Winter hat gnadenlos vor Augen geführt, dass Mode es zur Zeit nicht gelingt, die Frauen zu verführen. Warum auch. Daunenjacken hat mittlerweile fast jeder im Kleiderschrank, derbe Boots sowieso, ganz zu schweigen von Cashmere-Pullovern, Hemdblusen, kuscheligen Schals, Skinny Jeans und Seidenkleidern.

Modetrends unterliegen schon lange ihren eigenen Gesetzen – mit ganz eigenen Vorstellungen und Interpretationen. Wer keine Kleider mag, trägt eben Jeans. Wer Herrenhemden nicht ausstehen kann, greift zur Seidenbluse. Diese modische Freiheit macht es für die Modebranche nicht leichter. Denn die vielen Paralleltrends führen dazu, dass die Verbraucherin nicht zwangsläufig die Notwendigkeit sieht, jede Saison ihre Garderobe zu erneuern.

Die Marktsättigung zeigt sich in unseren Kleiderschränken. Wir haben mehr als genug darin hängen. Und die Masse an Ware, die sich zur Zeit in den Sortimenten findet – die alte reduziert und zusammengestopft, um für die neue Platz zu haben – macht nicht gerade Shopping-Laune. Dann noch überall dasselbe Bild, dieselben Marken. Das führt zur Ermüdung, zur Überforderung. Mitunter zur Verweigerung.

Die letzte Saison hat es dramatisch vor Augen geführt. Wir hatten das 3. Jahr in Folge Minus im Modehandel. Ein Minus von 3% meldet die TW für 2014. Und das – obwohl es um die Kauflaune der Deutschen so gut bestellt ist wie um die Bierlaune auf dem Oktoberfest, wie die FAZ vor einigen Wochen in einem Artikel über Bekleidung geschrieben hat. Laut GFK ist 2014 die Konsumbereitschaft der Deutschen auf dem höchsten Stand seit Jahren. Die Inflationsrate ist mit 0,9% so gering wie seit fünf Jahren nicht mehr, und die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank verführt sogar uns sparwütigen Deutschen, unser Geld unter die Leute zu bringen.

Die Mode profitiert leider nicht davon. Der Anteil der Ausgaben für Bekleidung an der Gesamtkaufkraft hat sich seit 2000 nahezu halbiert. Die Gfk prognostiziert für 2015 einen absoluten Tiefstand von 1,8% (bezogen auf das verfügbare Einkommen).

Stattdessen geben die Deutschen ihr Geld für Reisen aus, für Wellness, Immobilien, Beauty, Essen/Genuss und natürlich elektronische Geräte wie Smartphones und Tablets.Die Anzahl der Smartphone User in Europa ist laut einer Studie von Bain & Company 2013 im Vergleich zum Vorjahr von 49 auf durchschnittlich 64% gestiegen, bei Tablets hat sich das Wachstum mehr als verdoppelt. 2013 waren es 39%, 2012 gerade mal 18%, die ein Tablet besaßen. Das Geschäft mit Beauty-Produkten ist 2013 laut dem Deutschen Kosmetikverband um 3,6% gestiegen auf knapp 2 Mrd. Euro. Für Reisen haben die Deutschen 2013 allein im Ausland 65 Mrd. Euro ausgegeben.

Das zeigt: Mode erhält heute von anderen Konsumsparten Gegenwind. Denn die Leute haben ja nicht zwangsläufig mehr Geld, es wird nur anders verteilt. Umso klarer, profilierter müssen heute Sortimente und Kollektionen sein. Wer nur jede Saison mehr Hosen, Jacken und Pullover verkaufen möchte, fischt im gleichen Teich wie alle anderen und strahlt wenig Kaufverlockung aus. Gefragt sind starke Produkte, starke Themen, die einen modernen Look transportieren – über Altersgrenzen hinweg. Es gibt sie, die neuen Themen. Man muss sie aber auch einkaufen.

Mehr Emotionen in den Geschäften wecken, mehr Mode bringen, mit mehr Spitzen die Kunden überraschen – das sind die neuen Schlagwörter, die plötzlich in Berlin und Düsseldorf überall zu hören sind. Und oft im selben Atemzug mit den eigenen Abverkaufslisten aus der Vorsaison wieder torpediert werden. Wer glaubt, mit denselben Themen die Kunden aus ihrer Kaufreserve zu holen, läuft definitiv Gefahr, sich nächste Saison wieder ein blaues Auge einzufangen.

Es gibt schöne neue Modethemen, neue Farben. neue Silhouetten. Es gibt Bewegung bei einzelnen Produkten. Bei den Hosen “wird das Diktat der schmalen Hose durchbrochen”, wie Gudrun Allstädt auf der TW-Orderinfo in Düsseldorf es so schön formulierte. Bootcut, Culotte, Marlene – es kommt Bewegung ins Bein.

Mehr Volumen in der Hose. Perret Schaad
Mehr Volumen in der Hose. Perret Schaad

Schumacher Show - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Autumn/Winter 2015/16Schumacher Show - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Autumn/Winter 2015/16

Wir haben schöne neue Röcke, leicht ausgestellt und in verschiedenen Längen, werden sie zu einer ernsten Alternative zum Kleid. Der Wollmantel ist ein Shootingstar, der Plüschmantel ein Statement-Piece – und das sogar noch mit der nötigen Political Correctness. Perret Schaad Show - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Autumn/Winter 2015/16

Es gibt wunderschöne neue Farbharmonien wie Burgund mit Rot, Braun und Pink, auch für modernen Mustermix, wie Schumacher das gezeigt hat.  Schumacher Show - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Autumn/Winter 2015/16 Schumacher Show - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Autumn/Winter 2015/16Es gibt großartigen Strick neue Ponchos und Capes, ein Comeback von coolen Klassikern wie Rollkragenpullover, Mantel, Wollhose, Longweste und Blazer. Jetzt kann man hoffen, dass die Einkäufer nicht auf halber Strecke der Mut verlässt. Nur mit konsequent neuen Modethemen lockt man die Frauen aus der Kaufreserve.

Published by spielerweekly

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