“Wir erzählen nicht nur unsere Geschichten, sondern auch die von Menschen und Marken, die wir spannend finden”

SoSUE ist ein Modelabel, Blog und Online-Shop aus Hamburg. Dahinter stecken Sue Giers und ihre Schwester Vanessa. Sue Giers war davor PR-Chefin bei Closed, Beraterin und Einkäuferin bei Linette. Warum sie an Mode mit längerer Halbwertzeit glaubt, Mode heute Netz-fähig sein muss und der direkte Dialog zwischen Marke und Kunde so wichtig ist, verrät sie hier im Interview.

Wie und warum bist Du auf die Idee gekommen, ein eigenes Label und einen Lifestyle-Blog zu gründen?

Sue Giers: Nach der Trennung von meinem Mann habe ich überlegt, wie es beruflich weiter gehen könnte. Ich wollte im Fashion Business bleiben. Wieder für ein Unternehmen zu arbeiten, dazu hatte ich aber wenig Lust. Ich wollte etwas Eigenes. Mein erster Gedanke war, ein Fashion-Label zu gründen. Ich beriet mich mit meiner Schwester Vanessa, und zusammen gründeten wir SoSUE. Vanessa kümmert sich um das Kaufmännische und ich um das Kreative. Dass wir zusätzlich ein Blogzine betreiben, hat mit meiner Vergangenheit als Journalistin zu tun. Ich wollte wieder selber schreiben und anderen die Möglichkeit bieten, auf SoSUE Geschichten über Mode und andere spannende Themen zu erzählen.

SoSUE ist eine kleine, handverlesene Kollektion mit starken Einzelteilen. Was ist die Idee dahinter?

Wir werden tagtäglich mit Angeboten, Marken und Styles überschwemmt – nicht falsch verstehen – ich liebe Mode und ihre Diversität. Trotzdem glaube ich, dass dieses Überangebot nicht mehr zeitgemäß ist. Ich habe bei mir persönlich gemerkt, dass mich die Auswahl erdrückt und die Suche nach dem nächsten Trend-Teil stresst. Das war der Ausgangspunkt, ein paar Teile zu kreieren, die nachhaltig sind und eine längere Halbwertzeit haben. Daraus ist ein Konzept geworden: eine kleine Kollektion, die seasonless, unkompliziert und gut kombinierbar ist. Alle Teile bauen aufeinander auf und lassen sich mühelos kombinieren. Herzstück der Kollektion ist unsere Antonia Bluse, die wir mittlerweile von Texas bis Tokio verkaufen. Sie inspiriert mich zu immer wieder neuen Ideen und Styles. Unser Anspruch ist, eine starke Kollektion mit coolen Eyecatchern zu machen. Weniger ist mehr. Wir legen viel Wert auf gut designte Einzelteile, die saisonunabhängig sind und den individuellen Style unserer Kundinnen unterstreichen.

Auch die Preise sind moderat. Wenn man möchte, machst Du bezahlbare Contemporary-Fashion. Ein Kleid kostet bei Euch zwischen 220 und 290 Euro VK. Was hörst Du von Deinen Followern als Feedback, wieviel Geld sie für Mode bereit sind auszugeben?

Unsere Preise entsprechen dem Zeitgeist. Unsere Followerinnen sind ganz begeistert, weil wir bezahlbare und gut gemachte Qualität anbieten. Außerdem ist SoSUE in fast jeder Situation tragbar. SoSUE ist No-Season. Wir     besetzen eine Nische zwischen konsumiger und Premiummode, davon gibt es immer weniger in Deutschland.

Wie seid Ihr als Start-up durch den Shutdown gekommen?

Zuerst waren wir geschockt. Dazu kam noch die Angst vor dem Virus und die Sorge um Verwandte und Freunde. Dann musste ich mich wie viele andere Mütter neu organisieren. Plötzlich war ich Kantinen-Chefin, Lehrerin, Fitnesstrainerin und Entertainerin. Geschäftlich kam unsere Kollektion pünktlich zum Lockdown in unser Lager. Und keiner wusste, wie es jetzt weitergeht. Für mich gab es nur den Weg nach vorn, und so fing ich an, die neuen Styles vorzuführen. Wichtig war uns, unsere Community zu unterstützen und zu zeigen, dass Mode auch in der Krise Spaß machen kann. Unsere lebensbejahende Haltung im Shutdown kam gut an, wir haben dadurch viele neue Käuferinnen gewonnen. Ich persönlich glaube auch, dass unsere sommerlichen Teile genau den Nerv unserer Kunden und Follower getroffen haben. Es wurde warm und die Sonne schien jeden Tag. Die SoSUE Styles waren frisch und hingen nicht schon seit Dezember in den Läden. Inzwischen haben wir aber auch unsere Kunden im stationären Handel beliefert, zum Teil haben wir sogar Nachbestellungen. Von daher Ende gut, alles gut. Hoffentlich geht das auch anderen so.

Hat sich durch Corona Deine Sichtweise auf die Kollektion bzw. Deine Arbeit geändert?

Während Corona haben sich viele Menschen die großen Sinnfragen gestellt. Ich auch. Mir ist klar geworden, dass alles plötzlich vorbei sein kann, wofür man jahrelang gearbeitet hat. Ich erlebe SoSUE heute intensiver als vor Corona. Für jedes SoSUE-Teil bin ich besonders dankbar, wenn es online geht und den Frauen gefällt. Ich weiß das heute noch mehr zu schätzen als vor der Krise. Und es gilt weiterhin klein, fein, fair und umweltschonend zu produzieren. Unser Miteinander im Team ist nochmal enger und unser Ton fürsorglicher geworden. Ich denke, wir haben alle gelernt, was wirklich zählt und wichtig ist im Leben und sollten uns darauf konzentrieren. Auch in der Mode. Es ist jetzt wichtig, nicht in alte Denkweisen und Muster zu verfallen.

Hat sich generell Dein Blick auf die Mode geändert, seit Du eine eigene Kollektion machst und nicht mehr als Einkäuferin unterwegs bist?

Als Einkäuferin hast du viel Verantwortung und du brauchst viel Wissen und Erfahrung, was Deine Kundinnen möchten und Du musst ihre Bedürfnisse und ihren Kleiderschrank sehr genau im Blick haben. Mode selber entwerfen und vermarkten stellt uns vor ganz andere Herausforderungen. Unsere wachsende Community ist sehr divers, hier können manchmal schon Details entscheiden, ob ein Teil sich gut verkauft oder nicht. Ich muss viel genauer beobachten und beachten als vorher und vorausplanen: Die Produktion, das Stoffangebot, Trend Scouting und dazu die vielen Diskussionen im Team, ob das Teil besonders und auch möglichst versatil einsetzbar ist. Das Risiko in Vorleistung, sprich Produktion zu gehen, ist deutlich höher – schon allein weil es sich um ganz andere Summen handelt.

Wie wichtig ist für Dich die Rückkoppelung mit Deinen Followern?

Für SoSUE ist der direkte Dialog mit unseren Followern sehr wichtig, weil die          Kundinnen hier merken: Das ist ja echtes Leben! SoSue steht exemplarisch für eine Frau, die mitten im Leben steht und einen Alltag zu bewältigen hat. Wir reden mit unseren Follower*innen ja nicht nur über Mode, sondern im Grunde über alles, was uns Frauen in diesem Land bewegt. Wir schätzen auch die vielen Vorschläge und mitunter Kritik an unseren Styles, die wir bekommen. Das nehmen wir sehr ernst und versuchen, es in die nächsten Entwürfe mit einfließen zu lassen. Wenn wir uns selbst unsicher sind, was Farbe oder Style anbelangt, lassen wir unsere Community auch schon mal in den Stories abstimmen. Ich liebe diesen Dialog. Als Fashionbrand müssen wir uns täglich mit unserer Community austauschen, es darf kein Monolog sein, ähnlich wie im stationären Handel auch. Wir machen die Teile nicht nur für uns, sondern in erster Linie für unsere Follower und natürlich auch den stationären Handel, der uns (meist) proaktiv auf Instagram entdeckt.

Gibt es Synergie-Effekte zwischen Deiner Arbeit als Influencerin und als              Designerin?

Wie ich schon erwähnt habe, bekomme ich viel Feedback von unseren Follower*innen und Kundinnen, das ist wichtig für meine Arbeit. Wir haben bei Instagram über 26 Tausend Follower, und jeder von ihnen ist Trendscout und Modekritiker, da kommt es schon zu interessanten Chats. Spannend ist aber auch, dass wir angefangen haben, mit anderen Marken zu kooperieren, die SoSUE als Plattform entdeckt haben, auch hier sind die Diskussionen und Dialoge spannend.

Neben einer eigenen Kollektion machst Du auch noch einen Vodcast/Podcast mit Susann Atwell in Deinem Kleiderschrank, führst Interviews mit Beauty- und Mode-Expertinnen und Experten, Sport- und Ernährungs-Spezialisten. Braucht es dieses Zusammenspiel heute, um Mode zu vermarkten?

SoSUE ist über Inhalte groß geworden. Wir erzählen nicht nur unsere Geschichten, sondern auch die von Menschen und Marken, die wir spannend finden. Das war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Um heute Mode zu vermarkten, musst du deine eigene Mode netzfähig machen, damit sie Menschen erreicht. Wenn ein Ernährungsspezialist oder eine Yoga-Trainerin über unsere Mode redet, macht es SoSUE authentischer und relevanter. Sie wird damit alltagstauglich. In der Mode sollten wir bei der Vermarktung nicht mehr in den üblichen Kanälen denken.

Du verkaufst Deine Mode über Euren Online-Shop, machst aber auch Kooperationen mit Einzelhändlern. Wie läuft diese Form der Zusammenarbeit?          

Wir sind in schönen Läden gelistet, die unserer Philosophie entsprechen – dass macht uns stolz und wir sind sehr dankbar für diese Möglichkeit. Für Händler sind unsere Styles oft eine Auffrischung innerhalb der Saison, weil wir No-Season sind. Wir sind mit SoSUE auf den wichtigen Modemessen nicht mit einem Stand vertreten, aber wir sind vor Ort und laden Händler ein, unsere Mode kennenzulernen. Außerdem haben wir viele Kontakte über das Internet bekommen, weil sie hier praktisch immer auf dem neuesten Stand sind. Auch hier merken wir, dass wir uns von dem klassischen saisonalen Ordergeschäft eher hin zu einem flexiblen, Saison unabhängigen Ordergeschäft hinbewegen.

Besteht auch die Möglichkeit eines SoSUE-Pop-up-Shops? Wie kann man Dich finden?

Bisher haben wir uns an Pop-up-Shops beteiligt. Entweder haben wir uns mit     anderen Marken zusammengeschlossen oder Händler haben uns gebucht und eine Fläche zur Verfügung gestellt, auf der wir unseren Lifestyle und unsere Mode präsentieren können, wie zum Beispiel schon sehr erfolgreich bei Frauke Ortner in Dortmund oder demnächst bei Sagmeister in Bregenz (Corona bedingt leider ausgefallen) oder April Firts in Berlin. Im August planen wir, die nächste Kollektion in München zu zeigen und gleichzeitig ein Pop-up Event zu organisieren. Vielleicht habt ihr ja einen Tipp für eine gute Location?! Wer Interesse hat, findet uns – Informationen sind auf unserer Website so-sue.com oder auf Instagram sosue official.

Du bist eine echte Multitasking-Woman. Allein SoSUE hat so viele unterschiedliche Themen, die Du besetzt. Was macht Dir davon am meisten Spaß?

Am meisten Spaß macht mir die Zusammenarbeit mit meinem Team und der Austausch mit meinen Kundinnen und Follower*innen. Hier lerne ich immer neue Dinge dazu, um dann darüber zu berichten oder es bei SoSUE einfließen zu lassen. Das ist wirklich jeden Tag eine große Freude, schon morgens beim Kaffee die ersten Kommentare zu lesen. Bei SoSUE kommt wirklich alles zusammen, was ich je gelernt habe: Fotografie, Storytelling, Design und PR. Besser geht’s nicht für jemanden, der alles nur so ein bisschen kann.

Published by spielerweekly

Mehr als schöner Schein. spielerweekly berichtet über Mode, Trends, Kreative und Sortimente aus der Sicht all derer, die Mode nicht nur als Entertainment sehen, sondern damit ihr Geld verdienen möchten.

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