Der DMI Fashion Day war der Auftakt für die neue Saison Herbst/Winter 2019/20. Zweifelloser Höhepunkt war Carl Tillessens Vortrag über die neue Jugendkultur.
Hier seine wichtigsten Thesen im Überblick:
- Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Wir haben endlich wieder eine Jugendkultur. Die schlechte: Wir können nicht mehr allen dasselbe verkaufen.
- Die Jugend steht unter ständiger Beobachtung von unserer überaltender Gesellschaft. Kaum liefen Kinder mit Hornbrillen durch die Gegend, die sie mit Fensterglas trugen, weil ihre Augen noch tadellos funktionieren, rüsteten die Älteren ihre Sehhilfen auf dicke Brillenrahmen um. Kaum trugen junge Männer Vollbart, um ihre noch fehlenden kantigen Umrisse zu kaschieren, machten es ihnen die Väter nach, um ihre nachlassenden Konturen zu überspielen. Selbst Tattoos verschafften den Jungen nur einen kurzen Vorsprung, denn mit Tattoos konnten die Eltern klar machen, dass sie noch nicht im sexuellen Ruhestand angekommen sind.
- Kurzum: Eltern und Kinder sind wie Bündnispartner eines gemeinsamen Lebensstils. Es gibt keinen Generationskonflikt.
- Das ändert sich mit Generation Z. Diese Generation fühlt sich als Digital Natives Eltern und Lehrern – den Digital Immigrants – überlegen.
- Modisch hat diese Generation eines gefunden, wovor Menschen über 40 noch mehr Angst als vor allem anderen haben: unvorteilhafte Schnitte, denn sie haben mit naturbedingten körperlichen Veränderungen zu kämpfen.
- Mit dem Spiel von Proportionen hat diese Generation quasi eine Firewall eingerichtet. Marken wie Offwhite, Vetements oder Supreme ist es gelungen, mit grotesk überschnittenen Schultern oder dreifarbigen Fliegerblousons sich vor feindlichen Übernahmen zu schützen. Denn ein 20-Jähriger, der einen 80er-Look trägt, wirkt edgy, ein 50-Jähriger stehengeblieben in seiner Zeit.
- Die nach 1995 Geborenen haben die Welt mehr über den Bildschirm kennengelernt als in echt. Sie schminken sich fürs Foto, und das Gewicht wird über das Selfie kontrolliert. Solange das noch stimmt, ist alles in Ordnung.
- Diese Generation der Digital Natives kann Bilder in rasender Geschwindigkeit wahrnehmen, aber über die digitale Kraft der Bilder hat sie das Gespür für Haptik verloren. Dozenten an Modeschulen berichten, dass die Studenten seit drei, vier Jahren Stofflaschen nicht mehr in die Hand nehmen, sondern nur noch angucken.
- Die Kraft der Bilder braucht starke Signale. Ein Digital Native, der in echt wie ein Clown aussieht, sieht auf dem Foto richtig gut aus.
- Fazit: Die kulturellen Kluften zwischen der Erwachsenenwelt und der Jugend sind so groß geworden, dass sie nicht mehr zusammengehen.
- Offwhite, Supreme und Vetements sind die Antwort auf eine gesellschaftliche Veränderung, die die Eltern nicht mehr verstehen. Dolce & Gabbana etwa hat darauf schon reagiert und in Mailand zwei verschiedene Modenschauen gemacht: eine für Presse und Einkäufer, eine für Influencer. das heißt: Sie nehmen den Generationskonflikt ernst und schaffen getrennte Räume, die auf unterschiedliche Zielgruppen eingehen.
- Bei den Jungen entsteht ein neues Markenbewusstsein. LMVH und Kering machen zur Zeit die Umsatzzuwächse mit der Zielgruppe 20-35 Jährigen.
Super interessanter Artikel! Das stellt die Situation wirklich gut dar…. ich habe eine Weile in New York gelebt und dort sieht man das „Ausmaß“ dieses Trends doch nochmal einiges extremer als hier zulande ;). Interessant ist, dass auf der anderen Seite ein (Gegen-) Trend entsteht der sich auf das altbewährte bezieht, der „Handmade“ und Tradition in den Fokus rückt… Barber Shops sprießen an jeder Ecke und die „Gent“ Generation wächst…. mal schauen wo das hinführt. Spannend ist es alle mal! Danke für den tollen Artikel!
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danke für das Kompliment!
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