
Weniger Frequenz, aber gute Stimmung. Schwieriger Markt, aber positive Gespräche. Alle Jahre wieder, so auch dieses Mal, könnte man diese Berlin Fashion Week umschreiben.
Es war ja nicht so, dass nichts geboten war in Berlin. Im Gegenteil. Den Auftakt bildete am Montag abend das Fireside Dinner Chat im Hotel Savoy, wo das Fashion Council Germany gemeinsam mit Laurèl einlud, die Kooperation-Kapselkollektion der Münchner Premium-Marke mit den Berliner Label Steinrohner zu feiern. Dienstag ging es dann los rund um die Messen Premium und Panorama, mit FashionSustain und FashionTech besetzten Premium und die Messe Frankfurt zudem zwei zentrale Zukunftsthemen der Branche. Abends dann Party-Marathon mit Marc Cain, wo das überraschende Ende von Karin Veit als Chefdesignerin bekannt gegeben wurde – übrigens das Gesprächsthema der Messe, gefolgt von der 20-jährigen Feier von Luisa Cerano in der Galerie König und der Präsentation von Laurèl mit einer beeindruckenden Lichtinstallation des New Yorker Künstlers Leo Kuelbs.
Am Mittwoch startete dann offiziell der Schauenkalender, unter anderem mit Maison Commons gelungenem Debüt, sowie Riani, deren Show mit eindeutig modernisierter Handschrift punktete. Donnerstag abend lud Hugo zur großen Show und After Show-Party ein – und mit einer progressiven Show und glamourösen Anschluss-Party hatten alle, die schon ein paar Jahre in der Branche auf dem Buckel haben, so ein unglaublich beschwingtes Gefühl von früher, als die Modebranche es noch richtig krachen ließ, weil die Menschen viel und gerne gekauft haben.
Heute kämpfen die Modemacher um jeden Euro, nicht nur gegen vertikale und Ecommerce-Mitbewerber, sondern auch gegen Wellness-Hotels, Beauty-Treats, Reisen und Gastronomie – alles Dinge, für die die Endverbraucher derzeit lieber ihr Geld ausgeben. Und stellen mit Entsetzen fest, dass selbst Reduzierungen nicht mehr ausreichen, um die Kunden hinter dem Ofen hervorzulocken.
Zwei Prozent minus vermeldet die TW fürs erste Halbjahr – und das, obwohl die Modethemen wirklich gut in diesem Frühjahr waren. Der Markt unterliegt einem extremen Strukturwandel und befindet sich damit in bester Gesellschaft: Banken, Versicherungen, Automobilkonzerne, es gibt nahezu keine Branche, die sich zur Zeit nicht verändert, und das in rasender Geschwindigkeit.
Dass es angesichts der gewaltigen Einschnitte umso wichtiger ist, nach Berlin zu fahren, um dort Kollektionen zu sehen und zu entdecken, Geschäftspartner und Entscheider zu treffen, aus coolen Locations Inspirationen mit nach Hause zu nehmen – und nebenbei sich bei der Vielzahl an Veranstaltungen und Parties auch noch zu amüsieren, ist unbestritten. Letzteres braucht es aus Motivations- und Zerstreuungsgründen mehr denn je. Dass sich die Berlin Fashion Week aber offiziell über sechs Tage hinzieht, ist angesichts der aktuellen Wirtschaftslage der Branche nicht zeitgemäß. Hier wäre es wünschenswert, dass sich alle Veranstalter gemeinsam an einen Tisch setzen und eine Lösung finden. Dauerhaft wird Berlin nur funktionieren, wenn es im Sinne der Besucher ist – und das sind neben Journalisten und Influencern nun eben mal die Einkäufer.
Auch wenn das Fashion Council dieses Mal internationale Teams von Joyce, Matches und Netaporter nach Berlin eingeflogen hat, braucht der Standort dringend mehr davon, um auf Dauer zu existieren. Dass der Freitagnachmittag-Termin für viele zu spät war, war auf dem Berliner Salon – zweifellos die schönste und niveauvollste Plattform an der Spree in diesen Tagen – nicht zu übersehen. Schon auf der Hugo-Show war die Präsenz von Einzelhändlern angesichts der 800 Gäste überschaubar, und das, obwohl dafür einige sogar noch einmal in die Hauptstadt zurückgekommen sind.
Fest steht: Das Gros der Berlin Besucher ist von Dienstag bis maximal Donnerstag abend vor Ort. Mehr lassen Zeit und Budget nicht zu. Auch die Messen waren nicht durchgängig gut besucht. Der Schauenkalender weist Lücken auf. Hier häufen sich die Klagen. Für die Aussteller ist es ein teurer Spaß, wenn von drei Tagen nur einer brummt. Für Schauenbesucher, insbesondere Medienvertreter, ist der Aufwand zu groß, wenn man zwischen zwei Schauen einen Eiskaffee trinken und dann auch noch im KaDeWe oder Soho House ausgiebig shoppen kann.
Kurzum: Berlin braucht eine Fokussierung. Die Mischung aus Messen und Modenschauen, aus Präsentationen und Parties ist das, was Berlin ein Stück weit besonders macht. “Berlin bedeutet für mich nicht nur Kollektionen gucken. Ich nehme hier immer Anregungen für Deko, Merchandising oder Aktionen mit”, so eine Einzelhändlerin aus Österreich.
Mit dem Empfang im Bundeskanzleramt auf Initiative von Dorothee Bär mit Angela Merkel ist dem German Fashion Council ein weiterer Meilenstein für deutsche Mode gelungen. Die Branche will und braucht Berlin. Es wäre schade, diesen Credit zu verspielen. Sonst läuft Berlin Gefahr, sich als Plattform für einen “Inner Circle” zu manifestieren. Zalando veranstaltet Ende August die dritte Ausgabe der Bread & Butter mit einer kuratierten Mischung aus Fashion und Musik. Warum nicht darüber nachdenken, Zalando terminlich anzubinden?! Hier könnten Einzelhändler sicher die ein oder andere Idee für Merchandising und Inszenierung mitnehmen – und ganz nebenbei noch sehen, wofür Endverbraucher derzeit brennen.