Modehaus Fischer mit Geschäften in Singen und Konstanz am Bodensee ist eine Institution für hochwertige Designermode. Petra und Oliver Fischer führen das Unternehmen in vierter Generation. Wie sie die Krise empfinden, warum die Post-Corona Welt Luxusmarken mit neuen Augen sehen wird und welche Schlüsse sie für ihre Häuser ziehen, verraten die Beiden in dem folgenden Interview.
Im Unterschied zu vielen Ihrer Kollegen halten Sie sich auf Instagram erstaunlich zurück. Keine Live Verkaufs-Shows, keine Live Interviews. Passt das nicht zu Fischer?
Zurückhaltung auf Instagram heißt nicht, dass wir uns nicht um unsere Kunden kümmern. Wir und unser Team haben gemeinsam entschieden, keine Live-Shows oder anderes zu machen. Es gibt Geschäfte, die so etwas schon länger und sehr professionell machen, dort wirkt es glaubwürdig. Man sollte es jedenfalls nicht aus der Not herausmachen, sondern mit einem eigenen Konzept. Es geht ja im Moment auch weniger darum, seinen Kundenkreis zu erweitern. Deswegen setzen wir auf unsere Stammkunden, mit einem Großteil dieser haben wir einen sehr persönlichen und freundschaftlichen Kontakt, und genau, wie man sich jetzt um seine Familie kümmert, liegt unser Fokus in einem “Caring“ um unsere Kundenfamilie.
Diese ungeahnt mächtige Krise hat eine zerstörerische Kraft, sie zerstört Gewohnheiten und Strukturen in einer nie dagewesenen Form. Sie betrifft alle Bereiche unseres Lebens. Vielleicht ist sie aber auch notwendig, um Neues zu schaffen und Dinge zu verändern und uns die Augen zu öffnen für Reformen, die schon länger in der Luft liegen. Auch neue Energien und Kräfte werden freigesetzt, denn wir müssen uns verändern und wandeln. Diese Pandemie zeigt uns weltweit, dass es Grenzen gibt, und das das Wertvollste, was wir haben, unserer Gesundheit ist neben Familie und Freunden.
Durch diesen Wandel entsteht eine neue, eine andere Zukunft, aber es geht weiter. Die Welt hält den Atem an. Aber wie sagte Queen Elizabeth II. : We will meet again!!!!!
Höher, schneller, weiter. Giorgio Armani hat aktuell zur Entschleunigung aufgerufen. Weniger Kollektionen, andere Lieferrhythmen. Ist das ein romantisches Wunschkonzert, oder steht die Modebranche tatsächlich vor einem tiefgreifenden Wandel?
Corona zwingt die ganze Industrie und auch den Handel weltweit zum Umdenken. Wie sagte schon Max Frisch: “Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.” Das heißt: Wir sollten uns Gedanken machen, dass der grenzenlose Konsum, schnelllebige und zu viele Kollektionen uns schon in normalen Zeiten an Grenzen haben stoßen lassen. Deswegen steckt in dem, was Herr Armani formuliert hat, viel Wahrheit. Es wäre in dem Fall kein Rückschritt, sondern ein längst nötiger Fortschritt für alle. Wir brauchen in nächster Zeit viel Kraft, Durchhaltevermögen und Flexibilität, um uns neu zu orientieren – und das in jedem Glied der Wertschöpfungskette.
Werden Sie sich bei der Order für Frühjahr/Sommer 2021 konzentrieren? Bzw. möglicherweise Kollektionen sogar weglassen?
Für uns im Vordergrund stehen unsere langjährigen, verlässlichen Partner, die auch in Krisenzeiten da waren und sind. Sie werden auch weiterhin in unseren Sortimenten klar vertreten sein. Außerdem muss man sehen, wie die Firmen mit dem Wandel umgehen. Wer sich nicht wandelt, kann aus unserem Sortiment verschwinden. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit wird unabdingbar werden. Das Risiko muss wieder gerechter verteilt werden und nicht allein beim Handel liegen. Unsere Selektion wird noch reflektierter sein.
Wird es Luxusmode durch die Corona-Krise und deren wirtschaftliche Folgen schwerer haben? Falls ja, hat das zur Folge, dass Sie einen anderen Sortimentsfokus setzen? Mehr auf Einstiegspreislagen?
Die Post- Corona Welt wird Luxusmarken mit neuen Augen sehen. Wir müssen uns auf die Wünsche und Bedürfnisse einer neuen Welt einstellen. Das heißt aber nicht, dass das zwingend über Einstiegspreislagen geschehen muss, sondern die nächste Orderrunde wird in jeder Preislage noch selektiver und überlegter werden. Auch neuen Dingen eine Chance zu geben wird wichtiger, Altes weglassen ebenso.
Eines ist sicher: Aufgeblasene Marketing-Labels werden verschwinden und keine Chance mehr haben. Nachhaltigkeit, Handwerk und eine authentische Heritage sowie echte Qualität, die in Europa gefertigt ist, wird wieder gefragter werden. Das lag schon vorher in der Luft. Sinnvoller Luxus wird bleiben, das möchte der Mensch, um sich von Zeit zu Zeit zu verwöhnen. Zu viele teure Fashion Weeks und Fashion Shows brauchen nachhaltige Alternativen. Orderrhythmen müssen besser koordiniert und weniger aufwendig werden.
Was ist die größte Challenge der nächsten Monate?
Die Ruhe zu bewahren, was Reduzierungen und den Umgang mit den Saisons angeht. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Parteien, Lieferanten, Händler, Kunden. Die Menschen sollten lernen bewusster einzukaufen, bewusster zu leben, bewusster zu konsumieren. Das heißt nicht verzichten, sondern differenzieren und qualitätvoll in jeder Hinsicht agieren. Genau dieses gilt auch für Produktion und Handel. Dazu gehört das Wiedererlernen von Verantwortungsbewusstsein in unserer Branche und auch eine gesunde Balance von Umsatzerwartungen und Anforderungen seitens der Lieferanten an den Handel.
Wie schafft man es, die Begehrlichkeit für Mode weiterhin aufrechtzuerhalten?
Mode ist etwas Tolles. Sie gibt den Menschen ein gutes Gefühl! Das bleibt auch in Krisenzeiten wichtig, nur mit neuen Augen gesehen. Unsere Aufgabe, die wir auch schätzen sollten, ist darauf mit Feingefühl und Flexibilität zu reagieren – kreative und materielle Qualitäten bieten, die diesem neuen Geist entsprechen. Die Begehrlichkeit werden wir durch Glaubhaftigkeit und Authentizität unseres Familienunternehmens vermitteln, mit ebenso glaubhaften Partnern, die dasselbe Verständnis haben wie wir.
Das Interview kommt auf den Punkt! Super Fragen – super Antworten! Liebe Grüsse
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Fantastisches Interview #takecare Team Dawid Tomaszewski
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Genau dies zeigt sich schon jetzt in China, wo Hermes, altes, hochwertiges Traditionshaus grosse Umsätze macht während die normalen Modegeschäfte leer bleiben. Nach einer Krise möchte man sich etwas Gutes tun, hat aber auch gelernt mit dem Geld anders um zu gehen. Menge wird nicht mehr gefragt sein, sondern etwas, das einem jetzt gut tut.
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