“Einfach hübsche Bilder zu posten, fühlt sich für mich zurzeit verkehrt an”

Annette Weber startete nach ihrer Karriere als Instyle-Chefredakteurin als Unternehmerin und Influencerin nochmal neu durch. Neben ihrem eigenen Instagram-Account nettiweber mit knapp 150.000 Followern für “die erwachsene Frau”, wie sie sagt, betreibt die Münchnerin die Mode-Website Glamometer, unter deren Namen sie auch eine eigene Kollektion entwirft. Außerdem schreibt sie regelmäßig Kolumnen für die Bild. Wie sie in diesen Tagen Social Media erlebt und warum sie keine Lust hat Pausenclown zu spielen, verrät sie in diesem Interview.

Sie halten sich als Influencerin zurzeit auffällig zurück bzw. versuchen immer, einen aktuellen Bezug zu der Corona-Krise herzustellen. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit in Ihrem Job?

Annette Weber: Der Spagat zwischen Unterhaltung und Ersthaftigkeit ist ganz, ganz schwer. Einerseits bin ich – wie alle – geschockt, gelähmt und voller Zukunftssorgen. Einfach hübsche Bilder posten, das fühlt sich verkehrt an. Wäre nicht richtig – für MICH. Ich denke, dass jeder seine Stimme, seinen Kompass finden muss. Ich finde es süß, dass manche junge Influencer lustige, heitere Videos posten, sich bei drolligen Challenges engagieren – ich kann das nicht. Ich will das auch nicht. Ich bin eine “Influencerin” im Sinne von ich kann der Branche, den Kunden Impulse geben. Ich käme mir vor wie ein Pausen-Clown. Ich zeige Mode im Kontext, Homewear. Das ist ja auch am Markt gerade gefragt. Die Frauen kaufen sich – wenn überhaupt – etwas Gemütliches für daheim. Baumwolle, weil angenehm. Jogginghose, Hoodie.

Manche Kolleginnen posten fröhlich Bilder von sich auf Parties aus der Vergangenheit mit dem Kommentar #Throw me back. Andere inszenieren sich unter #westayathome in ihrer Luxusvilla mit einem Garten, der parkähnliche Dimensionen hat. Wie empfinden Sie die Posts dieser Kolleginnen?

Die soziale Schere geht natürlich jetzt weit auf, viele Influencer mit spektakulären Häusern haben die ihrer Verwandtschaft zu verdanken, good for them. Das schaut man sich gerne an. Aber: Es ist ja jedem klar, dass Instagram eine einzige Inszenierung ist. Kein Mensch glaubt, dass die perfekten Kinder wirklich immer  so brav und hübsch und artig sind, die Männer so liebevoll, das Essen selbst zubereitet und vollständig aufgegessen wird und so weiter. Ich schaue mir im Moment viele Profile deshalb nicht mehr an, weil ich – in DER Situation – nicht mit diesen Fakes konfrontiert sein möchte. Das hat vielleicht auch mit dem Alter zu tun. Als erwachsene Frau und Mutter und Unternehmerin habe ich jetzt andere Sorgen…..auch wenn es um die “Verantwortung” geht, die man als Influencer angeblich hat. Sehe ich auch nicht so. #Wirbleibendaheim ist richtig und wichtig, aber “Verantwortung” hat jeder mündige Mensch für sich selbst!

Matthias Horx schreibt in seiner Vision, wie die Welt im Herbst nach Corona aussehen könnte, dass der ganze Trivial-Trash, der unendliche Seelenmüll, der durch alle Kanäle strömte, in rasender Geschwindigkeit an Wert verliert. Wird Corona die Welt von Instagram verändern und damit auch Ihre Arbeit als Bloggerin?

Matthias Horx hat das großartig zusammengefasst und prognostiziert. Trivial Trash gibt es aber auch auf RTL und SAT 1, nur eben aus und von Hartz 4 Familien und nicht in der Luxus-Villa. Deshalb gucken die Leute sich Influencer Stories an, Geschichten, auch Trash, aus der Luxusvilla. Von OBEN.  Das gibt’s im Fernsehen nicht zu sehen. Ich glaube, dass sich alles konzentriert, wie in der Modebranche auch, oder im Publishing, die Guten werden überleben. Sie werden ihre Profile schärfen und ihre Fans noch näher an sich binden. Dazu gibt Corona auch die Chance. Die Leute haben ja jetzt mehr Zeit. Social Media wird eher wichtiger werden. Es ist schnell. Digital, also überall empfänglich, wir sehen ja, wie die Modehefte gerade unter den Geschäftsschließungen leiden. Instagram ist geöffnet. Zudem müssen die Firmen, wenn der Shutdown beendet ist, wieder Gas geben und das geht nur mit Werbung

Was sind für Sie die größten Herausforderungen der nächsten Monate?

Die größte Herausforderung ist die unsichere wirtschaftliche Situation. Viele Unternehmen werden es nicht packen. Die Textilbranche war ohnehin am Limit.  Zuviele Player, zuviele Termine, zuviel Ware, zuviel Verschwendung. Es wird langsamer werden, hoffentlich, die Leute werden sich auf Qualität besinnen, Nachhaltigkeit wird noch wichtiger werden, der blinde Konsum geht zurück. Eine Saison ausfallen lassen, wie sich das manche vorstellen, das kann nicht funktionieren. Ich hoffe auch, dass die Händler, die übrig bleiben, sich nicht gegenseitig mit Rabattschlachten umbringen….

Gibt es etwas Positives, das Sie aus der Corona-Krise mitnehmen werden?

Positiv ist leider nichts an der Corona-Krise.

Published by spielerweekly

Mehr als schöner Schein. spielerweekly berichtet über Mode, Trends, Kreative und Sortimente aus der Sicht all derer, die Mode nicht nur als Entertainment sehen, sondern damit ihr Geld verdienen möchten.

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