Dekoration & Farbe, Sport & Casual. Jetzt kommt zu den großen Trends ein neuer hinzu: Wir haben ein Comeback von Klassik. Ob bei internationalen Designern wie Dries van Noten oder Offwhite, Hermès oder Christophe Lemaire, Stella McCartney oder Céline – das Spiel mit maskulinen Stoffen wie Karos, Glenchcheck und Hahnentritt sowie Tailoring ist allgegenwärtig. Eine neue Generation von Klassik meldet sich zurück. Aber bitte nicht bieder und brav. Auch hier geht es um eine Verschmelzung von unterschiedlichen Brüchen. Und es muss immer lässig sein.
Dass Tailoring ausgerechnet jetzt wieder aufpoppt, ist nicht weiter verwunderlich: Es geht bei diesem Trend auch um Haltung. Haltung ist in unserer Zeit, die stark von Verunsicherung geprägt ist, mehr denn je gefragt, und dieses Phänomen passt zu den politisch gefärbten und gesellschaftskritischen Botschaften, die zahlreiche Designer in den letzten Wochen gesendet haben. Ein neuer Konservatismus macht sich in unserer Gesellschaft breit. Die Menschen investieren lieber in Gold als in Aktien. Wir haben unsichere Verhältnisse und damit geht ein Rechtsruck in Europa einher – von den USA ganz zu schweigen.
War es in früheren Jahrzehnten populär, mit Massendemonstrationen, Hausbesetzungen oder Uni-Streiks gegen die bestehenden Verhältnisse zu rebellieren, so steht die heutige Jugend in der Mitte der Gesellschaft. Weil die Welt als unberechenbarer wahrgenommen wird, sucht sie vor allem nach einem: nach Halt. Eine repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt, dass 95 Prozent der unter 30-Jährigen „Respekt“ für etwas Gutes halten. 91 Prozent empfinden Stabilität als positiv.
Bei der Generation 20 plus ist Heiraten wieder in, und zwar nicht erst mit Mitte 30, wenn es an die Familienplanung geht. Und wenn möglich, steht vor der Hochzeit noch die Verlobung an. In meinem Umfeld war es umgekehrt. Da heiratete man, wenn ein Kind im Anmarsch war.
Eine Entwicklung, die sicher auch zum Teil der Tatsache geschuldet ist, dass viele der heute 20-Jährigen aufwärts schon in den Genuss von Patchwork-Familien gekommen sind.
Wir befinden uns in einer extremen Zeit des Wandels, nicht nur im Hinblick auf unsere Kleidung, sondern auch auf unsere Gesellschaft. Das hinterlässt logischerweise Spuren auf unser Bekleidungsverhalten. Vor dieser Hintergrund überrascht nicht, dass sich eine neue Form von Klassik zurückmeldet – gepaart mit sportiven oder dekorativen Einflüssen entstehen dadurch neue Looks. Zum Beispiel der Karo-Mantel überm Blumenkleid, der Blazer zur Jeans, der Anzug zum Sneaker. Wichtig auch hier: niemals ein Trend in Reinkultur. Denn der Stilbruch macht es erst wieder interessant.