
Noch hat der Winter nicht richtig angefangen, ist die Order für Herbst/Winter 2019/20 schon wieder in vollem Gang. Nicht unbedingt sinnvoll, aber seit Jahren wird das so gemacht, und deshalb stellt es auch niemand in der Branche in Frage – bzw. will keiner ran, das zu ändern. Denn dass der Rhythmus in der Modebranche nicht mehr stimmt, ist schon lange kein Geheimnis mehr.
Aber anstelle dass sich alle mal zusammen an einen Tisch setzen und überlegen, wie man auf klimatische Veränderungen und verändertes Verbraucherverhalten reagieren kann, geht es munter weiter wie bisher. Na ja, immerhin gibt es in den ersten Lieferterminen für Herbst, die im Mai in die Läden kommen, jetzt so gut wie keine dicken Wintermäntel mehr. Wie viele davon überhaupt noch gekauft werden für nächste Saison, ist ohnehin die Frage. Denn bis jetzt sind die Abverkäufe mit Outdoor und dickem Strick – eben den typischen Winterteilen – nicht rosig – und die Reduzierungswelle läuft seit Black Friday unbarmherzig weiter. Warum aber selbst Accessoires und kleinere Geschenkartikel jetzt schon reduziert verkauft werden müssen, bleibt trotzdem die große Frage. Ich habe neulich selbst für 20 Prozent Nachlass diversen sehr hübschen Krimskrams gekauft. Zusammen mit einer Freundin. Nur so nebenbei: Wir hätten es auch regulär gekauft.
Ludwig Beck in München hat auf den Black Friday mit 100 Highlights auf allen Etagen reagiert – und nur selektiv reduzierte Ware angeboten. Auch so kann Einzelhandel sein. Die Schnäppchen-Variante alleine ist es jedenfalls nicht. Stationärer Einzelhandel muss wieder emotionaler werden. Mit tiptop Personal – daran sollte man als letztes sparen!
Eine sehr erfolgreiche Einzelhändlerin erzählte mir, dass sie gezielt in Mitarbeitercoaching investiere. Zitat: “Wenn an einem Nachmittag nur zwei Kundinnen kommen, müssen die wenigstens kaufen.” Die meisten Verkaufsgespräche werden viel zu früh beendet. Warum einer Kundin, die eine Tasche kaufen möchte, nicht noch das passende Portemonnaie zeigen? Nicht immer, aber in vielen Fällen funktioniert es.
Man muss sich einfach viel mehr anstrengen. Jammern ist sicher der schlechteste Ratgeber. Gutes Personal, perfektes Merchandising, kuratierte Sortimente. Und Ware, die zu den Auslieferungsmonaten passt. Zumindest in dieser Hinsicht hat sich in den Pre Kollektionen der Premium-Lieferanten einiges getan. Das ist ja schon mal ein Anfang. Sehen Sie selbst.