
Im Vorfeld war schon so viel spekuliert worden darüber, ob Berlin noch relevant ist, wie viele Einkäufer überhaupt nach Berlin fahren, wie die Saison werden wird nach dem schlechten 2018. Und dann noch die angekündigten Streiks an acht deutschen Flughäfen für Dienstag. Es waren so viele Unwägbarkeiten.
Und dann waren die Messen am ersten Tag voll, sowohl Premium wie Panorama, die Stimmung war grundsätzlich positiv, und die Händler aus München und Stuttgart kamen trotz Flughafenstreik an. Alles wie immer! Könnte man meinen.
Nun kann man sagen, dass dies der typische Saisonverlauf ist. In Berlin wird geguckt und gefeiert, da geht es noch nicht um Orderbudgets, und deshalb sind Handel und Industrie meist froh gestimmt – und tauschen sich aus, wofür in den kommenden Wochen kein Raum mehr ist, wenn es um Limite, Konditionen und Warensteuerung geht. Auch dass Kommunikation in schwierigen Zeiten noch wichtiger wird, hat Berlin erneut ganz deutlich vor Augen geführt. Schon allein deshalb ist und bleibt Berlin ein relevanter Branchentreff.
Berlin ist in der Womenswear der perfekte Kick-Off in die Saison. Wo sonst bekommt man in kurzer Zeit einen so schnellen Überblick über Kollektionen und Trends – und kann nebenbei auch noch die Stadt genießen?!
Vor diesem Hintergrund hat Berlin seine Position bestätigt. Beide Messen haben an ihrem Auftritt gearbeitet. Davon haben beide profitiert. Das muss man anerkennend sagen. Wohingegen Der Berliner Salon, bis dato unangefochten das kreative Sahnehäubchen in Berlin, durch den Location-Wechsel vom Kronprinzenpalais in die Elisabethkirche, an Glanz und Glamour und damit Relevanz verloren hat. Sehr zum Leidwesen der Aussteller, die in dieser Saison erstmals in einer von der VOGUE kuratierten Gemeinschaftsfläche präsentiert wurden, was mitunter dazu führte, dass der ein oder andere mit zwei oder drei Teilen vertreten war – die namentlich nicht zu erkennen waren, plus zwei Puppen, die jeder Aussteller zusätzlich am Rand aufgestellt bekam.
Es war ein dichtes Gedränge, die Aussteller standen wie Studenten vor ihren Puppen, und es war schwierig, die Kulisse der Elisabethkirche und die Inszenierung auf sich wirken zu lassen, geschweige denn, irgendeine Idee in puncto Merchandising oder Warenpräsentation mitzunehmen. Am Ende blieb die Frage offen, was es dem Besucher in dieser Form bringt.
Da überzeugen Formate wie die neue Nachhaltigkeitsmesse NEONYT im Kraftwerk mehr (früher Green Showroom und Ethical Fashion Show), die durch Events und das Kongressprogramm des Zeit Magazins flankiert wurde.
Modisch kann man sagen: Farbe läuft weiter, und zwar in allen Schattierungen. Das Farbkonzept für Herbst 2019 zu bauen, könnte vor allem für größere Häuser eine Herausforderung werden. Denn es gibt so viele unterschiedliche Farben, dass einem schwindlig werden kann – und ganz nebenbei auch noch viele bekannte. Camel und Braun sind die großen Aufsteigerthemen, verbunden mit Karo und einem Comeback von Klassik. Daneben bleiben Gelb, Rot, Pink und Grün relevant. Lila ist vor allem bei skandinavischen Labels massiv vertreten. Schwarz meldet sich zurück, flankiert von Offwhite. Hier muss man zum einen aufpassen, dass es nicht zu viel Farbe wird. Es wird sicher auch Kunden geben, die nicht mehr so viel Lust auf Farbe haben werden. Die Braun- und Cognactöne kippen schnell in Retro, was ab einem gewissen Alter auch nicht schöner macht. Und in billig sehen diese Farben auch nicht zwangsläufig schön aus.
Das gilt auch für die vielen Karo-Varianten für Mäntel, Blazer, Kleider, etc. Genauso wie Animal. So viel Animal, Leo, Schlange, Zebra! Beide Dessins – Karo und Animal – sieht man schon jetzt stark im Handel. Insofern bleibt die Frage nach der richtigen Gewichtung wichtiger denn je.
Das gilt auch für die Flut an Puffa-Jackets und Plüschmänteln. Beides ein Trend bei Outdoor, ok, aber wie viele davon braucht es tatsächlich? Wie viele Durchschnittskundinnen werfen sich in diese XL-Jacken und -Mäntel?
Modisch war das Angebot in Berlin sehr gehabt. Dieselben Themen, die schon in diesem Winter gespielt werden. Das führt noch einmal mehr vor Augen, dass der Rhythmus der Branche unverändert eine der großen Herausforderungen für Multilabel-Sortimente ist. Budget für kurzfristige Ware wäre nicht schlecht.