Karl Lagerfeld verarbeitet für Fendi Pelz und Leder zu einer Art Schutzschild, dazwischen tragen die Models überdimensionale Daunenjacken. Consuelo Castiglione hat sich für Marni von einer wilden Wanderin inspirieren lassen – mit einem Marsch durch Materialien und Muster. Miuccia Prada bringt Materialien und Schmucksteine in einem Outfit zusammen, die eigentlich gar nicht zusammenpassen oder an das jeweilige Kleidungsstück hingehören. Die Kollektion von Burberry Prorsum heißt „Patchwork, Pattern & Prints” – dieser Titel ist wegweisend für die Lust auf Muster, Dekoration, Materialmix, Ethno und Hippie für kommenden Herbst. Bei Saint Laurent dreht sich alles Glam Punk der späten 70er Jahre.
Wir leben modisch schon lange in eklektischen Zeiten. Das Diktat des Laufstegs ist vorbei – und es wird nicht wiederkommen. So wie das Internet die Medienlandschaft und den stationären Einzelhandel verändert hat, so hat das Netz auch Auswirkungen auf die Mode: Der Einfluss eines Bloggers ist vielfach größer als der eines Modejournalisten, die Kraft eines Promis, die das Kleid von Marke XY trägt, stärker als die eines Marketingbudgets in Millionenhöhe.
Dank des Internets kann sich jeder selbst zum Star ausrufen, oder sich mit seinen Vorbildern und Lieblingslabels via Facebook, Twitter und Instagram connecten. Die Schauspielerin Olivia Palermo und Bloggerinnen Miroslava Duma oder Pernille Teisbeik sind die neuen Stil-Ikonen, deren Looks innerhalb weniger Stunden über alle Plattformen und Social Media-Kanäle kommuniziert und entsprechend kopiert werden.
Wir sind alle Digital Junkies, ok, die Jüngeren noch mehr – checken täglich unsere Mails, meist auf mehreren Accounts, schreiben SMS auf Whats app und dem Instant Messager, halten uns über Neuigkeiten auf dem laufenden über Linkedin, Xing und Facebook – und natürlich wollen wir jede heiße News sofort auf Spiegel online lesen.
Wir leben in einer Zeit, wo ständig alles multipliziert und mitgeteilt wird. Diese Transparenz und das Ineinandergreifen von Zielgruppen und Trends kommt aus allen Lebensbereichen. Dadurch wächst unser Repertoire an Stilen. Altes und Neues, Schrilles und Normales, Dekoratives und Cleanes verschmilzt zu einem zeitgenössischen Stil, der sich kurzfristig auch verändern kann, je nach Tageslaune, Anlass, Wetter. Man ist heute nicht mehr festgelegt.
Weder in der Mode, in Beziehungen noch im Job. Wir leben in kleinen Wir-Gesellschaften. In der Zukunft wird sich das noch verstärken. Laut dem Zukunftsinstitut durchlaufen die Menschen in ein paar Jahren sechs bis zehn verschiedene Lebensphasen.
Der Wunsch nach Individualität wird also noch größer. Diese Individualität führt zur großen modischen Freiheit, was es für die Modebranche nicht einfacher macht. Denn die vielen Paralleltrends führen dazu, dass die Verbraucherin nicht zwangsläufig die Notwendigkeit sieht, jede Saison ihre Garderobe zu erneuern.
Umso klarer, profilierter müssen heute die Kollektionen sein. Angesichts der Übersättigung ist es unumgänglich, aus dem ermüdenden Einheitsbrei auszubrechen. Der exzessive Umgang mit schmückenden Materialien und neuen Farbkombinationen bietet die besten Voraussetzungen für die Herbst-/Wintersaison 2016. Drucke und Jacquards sorgen für mehr Tiefe, Flanelle fühlen sich an, als seien sie gestrickt. Klassik erhält durch einen Hauch Exzentrik mehr Kick, Active-Elemente mischen sich mit Utility. Spitze bleibt ein Muss, Denim die verlässliche Komponente. Dadurch entstehen neue Verbindungen, eine Art Patchwork-Potpourri, die ganz unterschiedlich interpretiert werden können.
Der Weg beginnt bei den Stoffen. In dieser Saison mehr denn je.