Mailand, Paris, London, New York – die Schauen sind gelaufen. Was kommt? Was bleibt? Es bleibt mehr als was neu kommt. Saisonale Trends haben wir schon lange nicht mehr, dafür das Spiel mit Kontrasten. Tendenz steigend: Das Mix & Match-Prinzip erlebt für kommenden Herbst/Winter 2017/18 einen neuen Höhenflug. Utility trifft Dekoration. Schneiderkunst trifft Sportivität. Streetstyle trifft Romantik. Modern ist, die Trends nach Lust und Tageslaune wie eine Collage zusammenzustellen mit dem Anspruch, möglichst individuell zu sein.
Diese Collage baut sich aus folgenden Themen zusammen:
- Klasse, Mann: Lange verpönt, jetzt das Thema der Saison. Klassik ist wieder zurück. Auf einmal tragen Frauen Blazer oder sogar einen lässig geschnittenen Hosenanzug. Im Fokus: eine ausgearbeitete Schulter und Taille. Wenn es nach den internationalen Designern geht, tragen wir im Herbst einen maskulin geschnittenen Blazer zum Midi-Rock oder zur Herrenhose. Leider vergessen sie dabei, dass dieser Look allenfalls an Models in Größe 32 mit null Oberweite gut aussieht, aber nicht an einer Frau im echten Leben. Die hat vermutlich mehr Spaß an einem soft verarbeiteten, femininen Blazer mit akzentuierter Schulter. In den neuen maskulinen Stoffen wie Glencheck oder Hahnentritt aber definitiv ein Aufsteiger mit Potenzial.
- Deko-Maniac: Er hat es wieder getan, auch wenn sich immer mehr fragen, wie lange er das noch durchziehen mag. Alessandro Michele von Gucci scheint sich zumindest im Moment noch keinen Kopf darüber zu machen. Seine Show in Mailand war eine muntere Fortführung seines kunterbunten, überdekorativen Stils. Sage und schreibe 120 Looks schickte er über den Laufsteg, das war die bisher höchste Zahl in einer Kollektion! Und noch diverser und kleinteiliger als jemals zuvor, wie immer gespickt mit unzähligen Elementen und Symbolen: Gerüschte überdekorierte Hippie-Kleider, 80ies-Blazer mit Glitzerleggings, Frottee-Stirnbänder mit Gucci-Print und Midi-Mäntel zeigen eindeutige Referenzen an die 70er Jahre. Und auch andere Designer wie Miuccia Prada oder Dries van Noten spielen das Thema Dekoration weiter – mit Prints, neuen Farbkombinationen, Blütenapplikationen, Federn und Perlen, Spitze, Stick und anderen Spielereien vom Minimalismus Lichtjahre entfernt.
- Eighties: Dallas- und Denver Clan-Fans können sich freuen. Wer mag, kann kommenden Herbst wieder als “Sue Ellen” oder “Krystle” durch die Lande ziehen.Blazer mit breiten Schultern, Clochard-Hosen, Jacquard-Pullover, Glitzerkleider, asymmetrische Säume und Hochglanzblusen sind wieder zurück. Interpretationsspielraum: von hübsch bis hässlich. Im jungen Markt sicher ein gutes Thema. Für alle, die den Déjà-Vu-Effekt vermeiden möchten, sind sicher Jacquard-Pullover der neuen Generation und Blazer mit abgemilderte Power-Schulter die bessere Lösung.
- Hardcore Romantik: Von wegen Mädchen-Romantik mit weißem Schimmel auf einer Blumenwiese! Romantik zeigt sich von einer neuen, ganz unerwartet taffen Seite. Rüschen, Schleifen und Bänder werden aufgemischt. Zum Beispiel mit Leder, Lack oder Wolle mit Stand. Das ergibt eine reizvollen Kontrast frei nach dem Motto “auch böse Mädchen kommen in den Himmel”.
- Instagram-Look: Die Straße gibt schon länger modische Impulse vor. Inzwischen ist sie schon Inspirationsvorlage für den Runway. Vetements gibt hier die Steilvorlage. Aber auch Marken wie Balenciaga, Off-White, Maison Margiela und Chloé thematisieren Hoodies, Sweats und Denim in ihren Kollektionen. Es sind nicht nur die Produkte, sondern auch die Zusammenstellung der Looks, die Lässigkeit bringen – und nebenbei garantiert Instagram- und Snapchat-tauglich sind.
- Von wegen kleinkariert: Auf Streifen folgt Karo, das überrascht nicht sonderlich. Neu sind maskuline Muster wie Glencheck, Pepita und Hahnentritt, die in Kombination mit Tailoring, etwa für einen Blazer – in neuen Kontext gebracht, um dann wieder mit femininen Elementen zusammengefügt zu werden. Etwa einen scharf geschnittenen Blazer zum Kleid. Ganz schön scharf, Mann oh Mann!
- Weich gebettet: Im realen Leben sind sie nie weg gewesen, in der High Fashion kehren sie in rasender Geschwindigkeit zurück. Daune ist wieder hip. Und damit auch wieder Stepp. Miuccia Prada hat schon letzten Winter farbige Steppüberwürfe gezeigt. Vetements hat Volumen in die Sache gebracht. Jetzt gibt es viele neue Ideen, Daune anders aussehen zu lassen. Trendsetter suchen jetzt schon bei Uniqlo und H & M modische Stepp- bzw. Daunenjacken. Also der Appell an alle Hersteller: Bitte machen – nicht nur die langweilige Nummer Sicher-Daunenjacke!
- Think Big: Wer denkt schon im Kleinen, wenn es um die ganz große Sache geht, haben sich die Kreativen von Mailand bis Paris gedacht. Extrem weite Mäntel, extrem lange Ärmel, extrem breite Schultern – Hauptsache Volumen! Das kann allerdings schon in Größe 38 nicht charmant aussehen. Runtergebrochen im Detail bringt es aber Spannung ins Spiel. Zum Beispiel als leicht überschnittener Cardigan.
- Mach mal halblang: Wer auf Miniröcke steht, muss nächsten Winter mal eine Pause machen und auf Hosen umsteigen. Zumindest wenn es nach den internationalen Designern geht, tragen fast alle Frauen Midi-Länge. Valentino hat es vorgemacht, indem Pierpaolo Piccioli konsequent Kleider in Mitte Wadenlänge über den Laufsteg schickt. Keine leichte Länge, mögen Einkäufer jetzt denken. Stimmt. Aber in puncto Modernität aktuell nicht zu toppen und deshalb ein Muss für die nächste Saison! Also am besten sich mit dem Kollegen für den Schuheinkauf gleich zusammentun.
- Blau machen: Auch die Designer können nicht mehr ohne: Denim war schon letzte Saison deren Lieblingsmaterial, und auch jetzt ist kein Ende in Sicht.Ob für Hosen oder allover als Overall, Jacke oder Hemd, ohne Jeans geht nichts. Kein Wunder. Denim macht jeden Look tiefenentspannt. Fotos: Studio Martin Veit