Claudia Flessa ist Inhaberin der Vertriebsagentur Flessa für hochwertige Labels. Reisen gehört für ihre Arbeit zum Tagesgeschäft. Wie sich sich die neue Orderrunde mit Corona vorstellen kann, warum sie sich in den nächsten Monaten vor allem als Vermittlerin sieht und wieso Entschleunigung für sie das neue Zauberwort ist, lesen Sie hier.
Als Vertriebsagentur arbeiten Sie seit vielen Jahren mit italienischen Brands. Wie ist die aktuelle Situation bei Ihren Lieferanten?
Claudia Flessa: Momentan arbeiten wir nur mit einem italienischen Brand: DROMe. Die Firma ist ein Familienbetrieb und produziert in der Toskana mit europäischen Materialen. Das heißt die meiste Rohware ist schon auf Lager oder wird geliefert, sobald wieder normal gearbeitet werden kann. Viele Teile waren schon vor dem Lockdown in Produktion, und sobald es eben geht, wird die restliche Produktion weitergehen. Stornierungen gibt es nicht – nur einen etwas späteren Liefertermin, also Ende Juli bis September statt Juni, was allerdings auch die meisten Kunden befürworten
Viele Firmen werden vermutlich nicht liefern können. Was hat das für Ihre Agentur für Konsequenzen?
Unsere Firmen werden liefern….nur eben etwas später. Bei 360 Cashmere ist zwar der Importeur in Italien, aber die Ware kommt wie vereinbart Ende Juli aus Los Angeles und kann Anfang, Mitte August ausgeliefert werden. Im Moment sind die einzigen Konsequenzen für uns, dass wir zwischen den Kunden und den Produzenten vermitteln bezüglich späterer Auslieferung auf Wunsch oder Valuta.
Die nächste Einkaufsrunde steht vor der Tür. Werden Sie überhaupt Kollektionen haben, die Sie verkaufen können? Und wie werden Sie sie verkaufen, wenn die ganzen Messen wegbrechen sollten?
Ja, wir werden Kollektionen haben und selbstverständlich auch darauf vorbereitet sein müssen, gegebenenfalls Aufträge online zu schreiben und die Kunden dann auch telefonisch beraten, zum Beispiel per Face Time. Falls wir dürfen, werden wir unsere Showräume in Düsseldorf bzw. München zu einem späteren Termin (falls es den geben wird) anmieten und Termine vereinbaren. Ansonsten werden wir auch viel von unserem Showroom arbeiten und entsprechend Einzeltermine vereinbaren. Außerdem könnten wir Kunden Haustermine anbieten und zwei bis drei Wochen mit den Kollektionen reisen, falls es keine andere Ordermöglichkeit geben sollte. Das ist für uns gut machbar, da wir ja hauptsächlich Cashmere und Kleider verkaufen. DROMe, Hayley Menzies und Dualist können wir auch online verkaufen oder dann eben später in den Showrooms in Mailand und Paris, falls das wieder möglich sein sollte… Die Premium in Berlin werden wir diese Saison nicht machen.
Es gibt zurzeit viele Stimmen, die nach Entschleunigung rufen, nach weniger Kollektionen, späteren Lieferterminen. Utopie oder Wirklichkeit?
Das ist genau meine Meinung! Wir haben viel zu viele Kollektionen und dementsprechend zu viele Messe- und Ordertermine. Unsere Kunden müssen fast ganzjährig zu irgendwelchen Orderterminen und können nicht im Geschäft sein, Ware wird viel zu früh geliefert und viel zu früh reduziert. Ich habe noch nie verstanden, warum wir Wintermäntel unbedingt im Juni/Juli liefern müssen, um sie dann, wenn die Temperaturen dementsprechend sind, zu reduzieren und Geld zu verlieren. Wir müssen unbedingt zurück zu einer „normalen“ Saison und am liebsten auch mit Gesetzen, ab wann reduziert werden darf. Dann gibt es vielleicht auch irgendwann mal wieder eine Wertschätzung der Ware, der Designer… wenn wir nicht mehr mit Lieferungen und Kollektionen überflutet werden…. und vielleicht auch für alle ein „Durchschnaufen“, eine „Zwischensaison“ so wie früher, wo wir nicht schon wieder im Mai bzw. Dezember mit Vorkollektionen begonnen haben. Ja, das Zauberwort ist für mich tatsächlich „Entschleunigung“!
Wird die Corona-Krise ein neues, ernsthafteres Konsumverhalten auslösen? Oder suchen die Menschen nach Ablenkung, Zerstreuung?
Das ist schwer zu sagen…. Ich glaube, dass es beides geben wird. Persönlich wünsche ich mir ein ernsthafteres Konsumverhalten in jeder Hinsicht. In Hinblick auf die Mode bin ich der Meinung, dass Mode der Ablenkung und Zerstreuung dient – gerade nach schweren Zeiten, und vor allem nach Wochen zuhause im Jogginganzug.
Was sind für Sie die größten Herausforderung der nächsten Monate?
Wir als Agentur werden versuchen, so gut es geht zwischen Kunden und Produzenten zu vermitteln, zu unterstützen, etc. Es wird sicherlich noch viele Probleme geben, die wir jetzt noch gar nicht absehen können…. Zu viel Ware, zu wenig Ware, spätere Zahlungen, ordern – wie, wann, wo?– etc… Wir müssen flexibel sein, uns neue Wege, Strategien überlegen, anders- bzw. umdenken. Raus aus dem alten Trott, Ärmel hochkrempeln und los geht’s! Wir sind dafür bereit!
