

Eigentlich wollte ich mich zu der Diskussion um den veränderten Schauenzyklus von Burberry nicht äußern, da es nichts gibt, was in der Presse nicht schon kommentiert, analysiert oder bewertet wurde. Aber nachdem in London weder die Entscheidung von Sarah Burton, nach 15 Jahren Paris die Alexander McQueen-Show wieder in London zu zeigen noch der von den Briten heiß diskutierte “Brexit”, der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, die Diskussion um “See now, buy now-Kollektionen” toppen konnte, zeigt es doch, wie sehr die Entscheidung Christopher Baileys die Branche bewegt: Der Burberry-Chef kündigte vor einigen Tagen an, dass ab kommenden Herbst die Kollektionsteile direkt nach der Show in den Verkauf gehen.
Doch die meisten Menschen tun sich mit Veränderungen schwer, und so auch leider unsere Branche. Ausgerechnet Francois-Henri Pinault, als Kering-Chef u.a. verantwortlich für Gucci, Bottega Veneta und Saint Laurent, warf Bailey vor wenigen Tagen vor, er entmystifiziere mit seiner neuen Strategie die Welt der Designerprodukte. Nur wer lange warten müsse, verspüre ein großes Verlangen auf die Produkte.
Das mag vom Grundtenor richtig sein.Doch Hand aufs Herz: Wie viele Must-have-Produkte gibt es heute tatsächlich noch, die sechs Monate Begehrlichkeit überstehen, wenn man mal von den Taschen von Chanel, Hermès, Chloé und jetzt auch wieder Gucci absieht? Durch die Welt von Instagram, Twitter und Facebook gieren die Verbraucher nach der sofortigen Befriedigung ihrer Wünsche, und wenn sie sie sich nicht schnell erfüllen können, ändert sich das Objekt der Begierde im Zweifel in einem halben Jahr noch viele Male.
Nicht nur Burberry, auch Moschino und Loewe haben schon vor einigen Saisons auf die veränderten Kaufgewohnheiten reagiert und einige exklusive Teile von der Show direkt im Anschluss bei Stylebop bzw. Netaporter verkauft. Die Internet-Plattform Moda Operandi hat daraus ein Geschäftsmodell entwickelt und bietet seit 2010 Entwürfe u.a. von Marc Jacobs und Dolce & Gabbana eine Woche nach der Show online zur Vorbestellung an.
Insofern ist die Entscheidung von Bailey, die komplette Burberry-Kollektion direkt nach der Show in den Verkauf zu geben, nur ein konsequenter Schritt, auf einen gravierenden Strukturwandel, in dem sich die Modebranche befindet, zu reagieren.
Auch die Sorge, dass mit dem Blick auf den Konsumenten die Kollektionen Gefahr laufen, nur noch das zu zeigen, was sich gut verkauft, ist unbegründet. Christopher Bailey und auch Tom Ford, Tommy Hilfiger oder Proenza Schouler, die bereits angekündigt haben, dem Beispiel Burberry zu folgen, wissen durchaus, dass Modenschauen als Marketingtool unverzichtbar sind – und werden sicher nicht nur den Standard-Trenchcoat über den Laufsteg schicken. Den lassen sie ohnehin seit Jahren in den Pre-Kollektionen produzieren und verdienen damit ein Großteil ihres Geldes. Daran wird sich auch weiter nichts ändern.
Am interessantesten ist der Aspekt des Saisontimings, das damit eine Wende nehmen könnte. Seit Jahren stimmen die Rhythmen nicht mehr. In Zeiten der weltweiten Klimaveränderung und der Tatsache, dass immer weniger Länder noch einen richtigen Winter bzw. Sommer haben, macht die Einteilung in Saisons nach Jahreszeiten nur noch wenig Sinn. Der “Ready-to-wear-Gedanke” wird nicht erst seit gestern regelmäßig diskutiert, wenn es um die Themen Kollektionsaufbau und Lieferrhythmen geht.
Ehrlich gesagt braucht kein Mensch im Juni eine neue Daunenjacke und im November das hochsommerliche Seidenkleid mit offenen Sandalen. Eine Tatsache, die die Branche seit Jahren moniert. Doch keiner traut sich den ersten Schritt zu machen. Insofern ist es möglicherweise ein Segen, dass Christopher Bailey in seiner Position als Kreativ-Chef und Geschäftsführer die Macht und die Weitsicht hat, das tradierte System in Frage zu stellen und zu verändern.
Ob es funktioniert, werden wir sehen. Vielleicht dreht er das Rad in einem Jahr auch wieder zurück. Vielleicht werden seinem Beispiel weitere folgen. Für seinen Mut verdient er jetzt schon meinen Respekt.
… ich habe in der Zeit der langen Entwicklung von Marc Cain immer ‘Duftmarken’ gesetzt, die zunächst abgelehnt wurden.
In Zeiten heftiger Veränderungen lerne ich gerne von noch Kompetenderen.
Es ist wirklich an der Zeit, bestehende Rituale in Frage zu stellen.
Wenn dann die ganz ‘Großen’ im Modegeschäft sich auch bewegen (die Britten sind mehr Avantgarde als die erstarrten Franzosen) dann hilft das mir auch, in der kleinen Welt von Marc Cain Veränderungen an zu stoßen.
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