Zwischen Klassik und Dekoration, Sportivität und Streetwear, Reduktion und Reichtum bewegte sich dieses Mal das modische Spektrum der internationalen Designerschauen. Ob New York oder London, Mailand oder Paris – richtig überzeugt hat in dieser Saison keiner der Standorte. Der Luxusmarkt ist derart damit beschäftigt, die Millenials als neue Zielgruppe zu umgarnen, dass es mitunter den Anschein hat, dass ihm vor lauter Mühen dabei die kreativen Ideen für die Kollektionen ausgehen und man sich ernsthaft die Frage stellen muss, wer um Himmels willen das anziehen soll, was mitunter auf den Laufstegen gezeigt wird.
Natacha Ramsay-Levi für Chloé, Clare Weight Keller für Givenchy, Lucie und Luke Meier für Jil Sander, Paul Surridge für Roberto Cavalli, Olivier Lapidus für Lanvin, Serge Ruffieux für Carven, an interessanten Premieren unter neuer kreativer Leitung mangelt es nicht. Ramsay-Levi hat Chloé dem Mädchenhaften und Romantischen eine ordentliche Portion mehr Toughness verliehen – und nebenbei die Preise so erhöht, dass zumindest den deutschen Einkäufern der Atem stockte. Angeblich sollen es bis zu 40 Prozent sein. Hallo, geht’s noch? möchte man angesichts dieser Entscheidung nach Paris rufen und nach Erklärungen suchen, welche Strategie dahinter stecken mag. Auch das Designerduo Meier bekommt für ihren sinnlichen Purismus bei Jil Sander großes Lob. Doch gleichwohl stellt sich die Frage, wie viel Begehrlichkeit eine Marke wie Jil Sander mittelfristig noch auszulösen vermag.
Die große Begeisterung bei den Shows suchte man jedenfalls vergeblich diese Tage. Was ist das Neue, wohin will die Luxusmode?
Der Markt sortiert sich neu. Das ist nicht erst seit gestern so. Jil Sanders Minimalismus kriegt man bei COS. See by Chloé bietet den Look der großen Schwester für kleineres Geld, für Marken wie Roberto Cavalli oder Alberta Feretti interessiert sich ohnehin nur noch eine überschaubare Zielgruppe.
Der Druck wird größer. Die Vertikalen machen einen verdammt guten Job. Zara mischt schon lange den Markt auf. Gestern abend hat Arket aus der H & M-Gruppe in München seinen dreistöckigen Flagship-Store eröffnet. Das Konzept: Nachhaltige Produkte, nicht übertrieben modisch, gute Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Die olivgrüne Seidenbluse mit überlanger Manschette für 99 Euro überzeugt genauso wie der zweireihige Blazer aus Wolle-Baumwolltwill für 179 Euro.
Wenn man dann hört, dass eine so erfolgreiche Marke wie Chloé die Preise derart erhöht, muss die Frage erlaubt sein, ob es das bis dato sehr erfolgreiche französische Label nicht den Bogen überspannt. Vielleicht machen das noch die Chinesen, Asiaten und Russen mit. Die mitunter gähnende Leere in den Nobeleinkaufsmeilen wie Monte Napoleone und Via della Spiga in Mailand, die Rue Saint Honoré und Faubourg Saint Honoré in Paris oder auch in der Maximilianstraße in München sprechen eine eindeutige Sprache. Mit Ausnahme von Gucci dürften viele dieser Luxusläden nicht rentabel sein.
Auf der anderen Seite wachsen neue Labels wie Offwhite, Supreme oder Vetements heran, die den Nerv der jungen Klientel treffen und entsprechend erfolgreich sind. „Wir nehmen die ikonischsten Marken der jeweiligen Produktkategorien und bringen sie zusammen, um die perfekte Garderobe zu kreieren. Das ist die einzige und alleinige Idee“, erklärt Vetements-CEO Guram Gvasalia im Interview mit Marc Holgate für die US-Vogue.
Diese Aussage trifft den aktuellen Bekleidungscode auf den Punkt: Man stellt sich seine Garderobe eklektisch zusammen, mit einem gekonnten Mix aus Streetwear, Design und vertikaler Mode. Für die Zukunft gibt es vermutlich nur zwei Möglichkeiten: ein starkes Produkt oder eine hohe Begehrlichkeit. Ob letzteres aber Preise von 2000 Euro aufwärts für eine Designertasche rechtfertigt? Da macht sich leiser Zweifel breit.